Tarifermäßigung für Abfindungen setzt einheitliche Entschädigung voraus
Abfindungen an Arbeitnehmer beim Ausscheiden aus einem Arbeitsverhältnis sind schon seit 2006 nicht mehr einkommensteuerfrei. Es kann sich aber um außergewöhnliche Einkünfte handeln, die nur einem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Die Anwendung der so genannten Fünftelregelung setzt aber insbesondere voraus, dass es zu einer Zusammenballung der Einkünfte kommt. Daran fehlt es grundsätzlich, wenn Teilleistungen in unterschiedlichen Veranlagungszeiträumen ausgezahlt werden.
Bei Anwendung der Fünftelregelung wird eine einmalige, hohe Einnahme steuerlich so behandelt, als erhalte der Empfänger diese gleichmäßig auf fünf Jahre verteilt. Das ist aufgrund des progressiven Steuertarifs regelmäßig vorteilhafter als die Besteuerung in einem einzigen Jahr. Bei der Berechnung der Steuer wird ein Fünftel der einmaligen Einnahme zum zu versteuernden Einkommen hinzugerechnet. Die Differenz zwischen diesem Betrag und dem (normalen) Steuerbetrag ohne einmalige Einnahme wird mit fünf multipliziert und ergibt den Steuerbetrag für die gesamte einmalige Einnahme.
Tipp: Die Fünftel-Regelung sorgt dafür, dass die Steuerprogression für eine Abfindung geglättet wird, der Steuersatz wegen der Einmalzahlung also nicht in die Höhe schießt.
Die Tarifermäßigung setzt – von wenigen Ausnahmen abgesehen – voraus, dass die Vergütung in einem Betrag festgesetzt und zusammengeballt in einem Jahr gezahlt wird. Wird sie in unterschiedlichen Jahren ausgezahlt, wird die Steuervergünstigung nicht gewährt. Auch bei einer Zahlung in zwei oder mehr Veranlagungszeiträumen können sich zwar Progressionsnachteile ergeben. Diese Belastungen müssen aber in Kauf genommen werden.
Tipp: Die Tarifermäßigung für eine Abfindung kann auch dann beansprucht werden, wenn der Aufhebungsvertrag auf die Initiative des Arbeitnehmers hin geschlossen wurde. Feststellungen zu der Frage, ob der Arbeitnehmer – wie von der Rechtsprechung gefordert – unter tatsächlichem Druck stand, sind regelmäßig entbehrlich. Es ist generell davon auszugehen, dass es sich um eine begünstigte Entschädigung handelt.
Geringfügige Teilzahlungen können unschädlich sein
Ausnahmsweise kann die Fünftel-Regelung trotz des Zuflusses in zwei Veranlagungszeiträumen dann anzuwenden sein, wenn der Steuerpflichtige in einem Jahr nur eine geringfügige Teilleistung erhält und die ganz überwiegende Leistung in dem anderen Jahr in einem Betrag ausgezahlt wird. Die Teilzahlungen müssen sich allerdings im Verhältnis zueinander eindeutig als Haupt- und Nebenleistung darstellen und die Nebenleistung darf nur geringfügig sein. Die Tarifermäßigung kann dann allerdings nur für die Hauptleistung beansprucht werden.
Insoweit gibt es eine Vereinfachungsregelung des Bundesfinanzministeriums (BMF). Eine geringfügige Zahlung ist danach anzunehmen, wenn diese nicht mehr als 10 % der Hauptleistung beträgt. Darüber hinaus kann eine zusätzliche Zahlung unter Berücksichtigung der konkreten individuellen Steuerbelastung als geringfügig anzusehen sein, wenn sie niedriger ist als die tarifliche Steuerbegünstigung der Hauptleistung.
Weitere Ausnahme bei Zusatzleistungen aus Gründen der sozialen Fürsorge
Die Tarifermäßigung geht auch nicht verloren, wenn neben der Hauptleistung in späteren Veranlagungszeiträumen aus Gründen der sozialen Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit Entschädigungszusatzleistungen gewährt werden. Diese Leistungen sind für die Beurteilung der Hauptleistung als zusammengeballte Entschädigung unschädlich, sofern sie weniger als 50 % der Hauptleistung betragen.
Zusatzleistungen aus Gründen der sozialen Fürsorge sind z. B. die Leistungen, die der (frühere) Arbeitgeber zur Erleichterung des Arbeitsplatz- oder Berufswechsels oder als Anpassung an eine dauerhafte Berufsaufgabe und Arbeitslosigkeit erbringt. Typische Beispiele sind:
- Übernahme von Kosten für eine Outplacement-Beratung,
- befristete Weiternutzung eines Dienstwagens,
- befristete Übernahme von Versicherungsbeiträgen,
- befristete Zahlung von Zuschüssen zum Arbeitslosengeld,
- Zahlung einer Jubiläumszuwendung nach dem Ausscheiden, die der Arbeitnehmer bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erhalten hätte,
- Zahlungen zur Verwendung für die Altersversorgung.
Tipp: Dabei wird weder eine Bedürftigkeit des entlassenen Arbeitnehmers vorausgesetzt noch eine nachvertragliche Fürsorgepflicht des Arbeitgebers im arbeitsrechtlichen Sinne.
Gründe für die Verteilung auf mehrere Jahre sind unerheblich
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat jüngst klargestellt, dass eine Verteilung einer Abfindung auf mehrere Veranlagungszeiträume selbst dann schädlich ist, wenn die Zahlung ursprünglich in einer Summe vereinbart worden war und die gestückelte Auszahlung auf Gründen beruht, die der Gestaltungsfreiheit des Steuerpflichtigen entzogen sind.
Die Umstände der Auszhalung können demnach keine abweichende Beurteilung rechtfertigen. Es kommte weder darauf an, ob die Modalitäten des Zuflusses von vornherein vereinbart waren, noch ob sie dem Zahlungsempfänger aufgezwungen wurden.
Vorsicht Falle bei einer Startprämie
Bei dem strukturbedingten Wegfall eines Arbeitsplatzes wird häufig eine Abfindung auf der Basis eines Sozialplans gezahlt und der Arbeitnehmer anschließend in einer Transfergesellschaft befristetet weiterbeschäftigt. In diesen Fällen ist es üblich, dass neben einem Transfer-Kurzarbeitergeld ein Startgeld gezahlt wird, das umso höher ausfällt, je schneller der Steuerpflichtige einen neuen Arbeitgeber findet und deswegen das Beschäftigungsverhältnis mit der jeweiligen Transfergesellschaft endet.
Sowohl die Abfindung auf der Basis des Sozialplans als auch die zusätzliche Abfindung in Form der Startprämie werden nach der Auffassung des BFH für ein- und dasselbe Schadensereignis gezahlt, nämlich den Verlust des Arbeitsplatzes. Es liege daher eine einheitliche Entschädigung vor. Diese ist nicht steuerbegünstigt, wenn die Zahlungen in zwei Veranlagungszeiträumen geleistet werden und somit keine Zusammenballung von Einkünften vorliegt. Es genügt nicht, wenn die Zahlungen jeweils mit anderen laufenden Einkünften zusammentreffen und sich dadurch ein Progressionsnachteil ergibt.
Zusätzliche Zahlungen nach Wahrnehmung einer Sprinterklausel können tarifermäßigt sein
Eine Sprinter- oder Turboklausel ist eine in Aufhebungsverträgen oft genutzte Regelung, die dem Arbeitnehmer im Falle eines neuen Beschäftigungsverhältnisses das vorzeitige Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis ermöglicht. Und zwar vor dem Termin, der eigentlich im Aufhebungsvertrag vereinbart worden ist. Dabei wird die vereinbarte Abfindung in der Regel um die vom Arbeitgeber ersparten Gehälter erhöht. Oder zumindest um einen prozentualen Anteil. Aber auch für den Arbeitgeber hat die Klausel Vorteile: Er spart insbesondere die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung.
Tipp: Auch die zusätzliche Abfindung auf Grund der Sprinter- oder Turboklausel ist ermäßigt zu besteuern. Denn auch diese Abfindung findet ihren Rechtsgrund in der Aufhebungsvereinbarung und ist nicht getrennt davon zu beurteilen
Lohnsteuerliche Anrufungsauskunft in Zweifelsfällen empfehlenswert
In Zweifelsfällen empfiehlt es sich, die Anwendung der Fünftel-Regelung durch eine (kostenlose) lohnsteuerliche Anrufungsauskunft nach § 42e des Einkommensteuergesetzes (EStG) beim Finanzamt absichern zu lassen. Am besten ist es aber natürlich, von vornherein die Vereinbarungen zwischen dem Arbeitgeber und dem Mitarbeiter so zu gestalten, dass erst gar keine Teilzahlungen in mehreren Veranlagungszeiträumen anfallen.
Tipp: Der Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung ist natürlich nicht zu beachten, wenn zwei Entschädigungen in aufeinanderfolgenden Veranlagungszeiträumen nicht zum Ausgleich für dasselbe Schadensereignis erbracht werden, sondern unterschiedliche Ursachen haben. Dann können beide Zahlungen tarifermäßigt zu besteuern sein.
Zufluss kann steuergünstig gestaltet werden
Tipp: Arbeitgeber und Arbeitnehmer dürfen nach der BFH-Entscheidung den Zufluss einer Abfindung anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der Weise steuerwirksam gestalten, dass sie die Fälligkeit der Abfindung hinausschieben. Voraussetzung ist, dass die Vereinbarung vor dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt.
Beispiel: Ein Arbeitnehmer scheidet aus aus und erhält eine Abfindung. Nach der Betriebsvereinbarung ist diese eigentlich im November im Jahr des Ausscheidens aus der Firma fällig. Arbeitgeber und Arbeitnehmer verschieben jedoch einvernehmlich den Eintritt der Fälligkeit auf den Januar des Folgejahres, da dies für den Arbeitnehmer steuerlich günstiger ist. Die Abfindung wirdt entsprechend auch erst im Folgejahr ausgezahlt.
Lösung: Wird die geänderte Vereinbarung vor dem ursprünglichen Fälligkeitszeitpunkt im November geschlossen, muss das Finanzamt die für den Arbeitnehmer günstigere steuerliche Gestaltung akzeptieren. Die Abfindung ist erst im Folgejahr zu versteuern.
Outplacement-Beratungsleistungen können steuerfrei sein
Viele Unternehmen bieten ausscheidenden Mitarbeitern Outplacement-Beratungsleistungen an, also eine professionelle Hilfe zur beruflichen Neuorientierung, bis hin zum Abschluss eines Vertrags mit einem neuen Arbeitgeber.
Tipp: Nach der (umstrittenen) Auffassung der Fianzverwaltung handelt es sich regelmäßig um Arbeitslohn. Die Outplacement-Beratungsleistungen können aber nach § 3 Nr. 19 EStG steuerfrei sein.
Steuerfrei sind nach dieser Vorschrift seit 2019 Weiterbildungsleistungen des Arbeitgebers für Maßnahmen nach § 82 Abs. 1 und 2 des dritten Sozialgesetzbuches (SGB III) sowie Weiterbildungsleistungen des Arbeitgebers, die der Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit des Arbeitnehmers dienen. Die Weiterbildung darf keinen überwiegenden Belohnungscharakter haben.
Nach einem Beschluss der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder setzt die Steuerbefreiung voraus, dass die Outplacement-Beratung vor dem Abschluss eines Aufhebungsvertrags erfolgt. Nicht profitieren sollen hingegen Arbeitnehmer, die erst nach dem Abschluss des Aufhebungsvertrags zur Teilnahme an Teilen einer Outplacement-Beratung berechtigt sind. In diesem Fall fließt aus Sicht der Referatsleiter keine einheitliche Leistung zu. Insoweit soll steuerlich für jede Teilleistung separat zu beurteilen sein, ob die Tatbestände der Steuerbefreiung gem. § 3 Nr. 19 EStG erfüllt sind.
In vier Fällen wird dies von der Verwaltung ausdrücklich verneint:
- Bei einer Perspektivenberatung, bei der Arbeitnehmer motiviert werden, sich ausführlicher mit den eigenen Stärken sowie den Chancen am externen Arbeitsmarkt zu befassen.
- Bei einer steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Beratung.
- Bei einer sog. Marktvorbereitung, an deren Ende ein fertiger, marktgerechter Lebenslauf steht, der die berufliche Vergangenheit abbildet und gleichzeitig in die Zukunft strahlt.
- Bei einer Outplacement-Beratung, die der Vermarktung und der Platzierung der Arbeitnehmer dient.
In diesen vier Fällen sollen separat zu beurteilende Leistungen nicht die Voraussetzungen der Steuerbefreiung erfüllen. Angeblich handelt es sich um keine Weiterbildungsleistungen, die der Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit des Arbeitnehmers dienen. Die Zuwendung ist daher als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu behandeln.
Stand: 16.07.2023