Finanzverwaltung hat die Anforderungen an eine erste Tätigkeitsstätte präzisiert
Einer der Dreh- und Angelpunkte der Reisekosten-Reform 2014 war die neue gesetzliche Definition der ersten Tätigkeitsstätte. Das Bundesfinanzministerium hatte seinerzeit ein Anwendungsschreiben hierzu herausgegeben. Dieses ist jetzt aktualisiert worden. Die Verwaltung akzeptiert im Ergebnis die jüngste Rechtsprechung des höchsten deutschen Steuergerichts, des Bundesfinanzhofs.
Arbeitnehmer können ihre Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte nur in Höhe der Pendlerpauschale von 30 Cent je Entfernungskilometer (ab dem 21. Entfernungskilometer 35 Cent) als Werbungskosten geltend machen. Für andere berufliche Fahrten erkennt das Finanzamt hingegen die Fahrtkosten in tatsächlicher Höhe an (oder pauschal 30 Cent je gefahrenem Kilometer). Auch was Mehraufwendungen für Verpflegung angeht, ist es vorteilhaft, wenn es sich bei einem Arbeitsort um keine erste Tätigkeitsstätte handelt, sondern um eine auswärtige Tätigkeitsstätte. Das Thema ist daher von großer praktischer Bedeutung.
Wie es die Bezeichnung ja bereits nahelegt, kann ein Arbeitnehmer je Dienstverhältnis höchstens eine erste Tätigkeitsstätte haben. Wichtig ist insoweit aber, dass es denkbar ist, keine erste Tätigkeitsstätte, sondern nur auswärtige Tätigkeitsstätten zu haben. Ein Arbeitnehmer ohne erste Tätigkeitsstätte ist außerhalb seiner Wohnung dann immer auswärts tätig. Das ist steuerlich von Vorteil.
Die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte erfolgt vorrangig anhand der dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen durch den Arbeitgeber. Sind solche nicht vorhanden oder sind die getroffenen Festlegungen nicht eindeutig, werden hilfsweise quantitative Kriterien herangezogen.
Definition der Tätigkeitsstätte
Nach der neuen Definition des Bundesfinanzministeriums ist eine Tätigkeitsstätte eine von der Wohnung getrennte, ortsfeste betriebliche Einrichtung, die räumlich zusammengefasste Sachmittel umfasst, die der Tätigkeit des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten dienen und mit dem Erdboden verbunden oder dazu bestimmt sind, überwiegend standortgebunden genutzt zu werden.
So stellen auch Baucontainer, die zum Beispiel auf einer Großbaustelle längerfristig fest mit dem Erdreich verbunden sind und in denen sich beispielsweise Baubüros, Aufenthaltsräume oder Sanitäreinrichtungen befinden, ortsfeste betriebliche Einrichtungen dar.
Eine (großräumige) erste Tätigkeitsstätte liegt auch vor, wenn eine Vielzahl solcher Mittel, die für sich betrachtet selbständige betriebliche Einrichtungen darstellen können, räumlich abgrenzbar in einem organisatorischen, technischen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten stehen.
Als Tätigkeitsstätte kommt daher auch ein großflächiges und entsprechend infrastrukturell erschlossenes Gebiet (zum Beispiel Werksanlage, Betriebsgelände, Zechengelände, Bahnhof oder Flughafen) in Betracht.
Tipp: Fahrzeuge, Flugzeuge, Schiffe oder Tätigkeitsgebiete ohne ortsfeste betriebliche Einrichtungen sind keine Tätigkeitsstätten.
Das häusliche Arbeitszimmer eines Arbeitnehmers ist keine betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers oder eines Dritten und kann daher keine erste Tätigkeitsstätte sein. Dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer einen oder mehrere Arbeitsräume anmietet, die der Wohnung des Arbeitnehmers zuzurechnen sind. Auch in diesem Fall handelt es sich bei einem häuslichen Arbeitszimmer um einen Teil der Wohnung des Arbeitnehmers.
Dauerhafte Zuordnung durch den Arbeitgeber
Eine erste Tätigkeitsstätte liegt vor, wenn der Arbeitnehmer einer Tätigkeitsstätte dauerhaft zugeordnet ist. Ist der Arbeitnehmer nur vorübergehend einer Tätigkeitsstätte zugeordnet, begründet er dort keine erste Tätigkeitsstätte. Die dauerhafte Zuordnung des Arbeitnehmers wird durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen oder Weisungen bestimmt.
Die Zuordnung eines Arbeitnehmers zu einer betrieblichen Einrichtung allein aus tarifrechtlichen, mitbestimmungsrechtlichen oder organisatorischen Gründen, ohne dass der Arbeitnehmer in dieser Einrichtung tätig werden soll, ist keine Zuordnung im Sinne des steuerlichen Reisekostenrechts.
Auf die Qualität des Tätigwerdens kommt es ausdrücklich nicht an. Vielmehr können auch Tätigkeiten von untergeordneter Bedeutung ausreichend sein. Der Arbeitgeber kann also einen Arbeitnehmer auch dann einer Tätigkeitsstätte zuordnen, wenn der Mitarbeiter dort lediglich in einem ganz geringen Umfang tätig wird. Das ist sogar bei Hilfs- und Nebentätigkeiten möglich. Es genügt demnach, wenn der Arbeitnehmer am Ort der Tätigkeitsstätte Auftragsbestätigungen oder Stundenzettel abgibt.
Erforderlich, aber auch ausreichend ist es, dass der Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zu dem von ihm ausgeübten Berufsbild gehören.
Beispiel: Ein Vertriebsmitarbeiter für die Region A soll einmal wöchentlich an den Firmensitz nach B fahren, dem er arbeitsrechtlich zugeordnet ist. Dort soll er die anfallenden Bürotätigkeiten erledigen und an Dienstbesprechungen teilnehmen. Der Firmensitz ist auf Grund der Zuordnung durch den Arbeitgeber erste Tätigkeitsstätte. Dabei ist es unerheblich, dass der Vertriebsmitarbeiter überwiegend in der Region A und nicht in B tätig werden soll.
Die vorrangig maßgebliche dienst- oder arbeitsrechtliche Zuordnung durch den Arbeitgeber kann außerhalb des Dienst- oder Arbeitsvertrags erfolgen (auch mündlich oder konkludent). Sie ist unabhängig davon, ob sich der Arbeitgeber der steuerlichen Folgen bewusst ist. Die Zuordnungsentscheidung muss auch nicht dokumentiert werden.
Die Zuordnungsentscheidung des Arbeitgebers kann sich ergeben aus: - Arbeitsvertrag, - Tarifvertrag, - Protokollnotizen, - dienstrechtlichen Verfügungen (wie Regelungen zum abweichenden Dienstsitz) - Einsatzplänen, - Reiserichtlinien, - Reisekostenabrechnungen sowie Organigrammen, die vom Arbeitgeber als Nachweis seiner Zuordnungsentscheidung vorgelegt werden.
Tipp: Indiz für eine dienst- oder arbeitsrechtliche Zuordnungsentscheidung des Arbeitgebers kann auch sein, dass nach der Reiserichtlinie gerade für Tätigkeiten an dieser Tätigkeitsstätte keine Reisekosten für Auswärtstätigkeiten gezahlt werden.
Der Arbeitgeber kann nicht festlegen, dass der Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte hat. Er kann allerdings darauf verzichten, eine erste Tätigkeitsstätte dienst- oder arbeitsrechtlich festzulegen. Oder er erklärt ausdrücklich, dass organisatorische Zuordnungen keine erste Tätigkeitsstätte begründen sollen. In diesen Fällen erfolgt die Prüfung, ob eine erste Tätigkeitsstätte gegeben ist, anhand der quantitativen Zuordnungskriterien.
Die Zuordnung durch den Arbeitgeber zu einer Tätigkeitsstätte muss auf Dauer angelegt sein, Es kommt insoweit auf die Zukunft an. Es ist also eine Prognose anzustellen.
Typische Fälle einer dauerhaften Zuordnung sind
- die unbefristete Zuordnung des Arbeitnehmers zu einer bestimmten betrieblichen Einrichtung,
- die Zuordnung für die gesamte Dauer des – befristeten oder unbefristeten – Dienstverhältnisses und
- die Zuordnung über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus.
Die Zuordnung „bis auf Weiteres“ ist eine Zuordnung ohne Befristung und damit dauerhaft.
Quantitative Zuordnungskriterien
Fehlt es an einer dauerhaften Zuordnung des Arbeitnehmers zu einer betrieblichen Einrichtung durch eine dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung, ist von einer ersten Tätigkeitsstätte an der betrieblichen Einrichtung auszugehen, an der der Arbeitnehmer typischerweise arbeitstäglich oder je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit dauerhaft tätig werden soll.
Beispiel: Ein Arbeitnehmer ist von seinem Arbeitgeber unbefristet eingestellt worden. Der Arbeitgeber hat keine Zuordnung vorgenommen. Der Arbeitnehmer soll in den ersten 36 Monaten seiner Tätigkeit an vier Tagen wöchentlich in der Filiale X und einen vollen Tag wöchentlich in der Filiale Y tätig werden. In den 36 Monaten seiner Tätigkeit hat der Arbeitnehmer in der Filiale X keine erste Tätigkeitsstätte, da er dort nicht dauerhaft tätig werden soll. Erste Tätigkeitsstätte ist auch nicht die Filiale Y, da er dort die quantitativen Kriterien nicht erfüllt.
Tipp: Bei der quantitativen Zuordnung muss der Arbeitnehmer an der betrieblichen Einrichtung seine eigentliche berufliche Tätigkeit ausüben. Allein ein regelmäßiges Aufsuchen der betrieblichen Einrichtung führt hier noch nicht zu einer Qualifizierung der betrieblichen Einrichtung als erste Tätigkeitsstätte.
Es genügt also nicht, wenn der Arbeitnehmer eine Tätigkeitsstätte zum Beispiel für - kurze Rüstzeiten, - zur Fertigung von Berichten, - zur Vorbereitung der Zustellroute, - zur Wartung und Pflege des Fahrzeugs, - zur Abholung oder Abgabe von Kundendienstfahrzeugen oder Lastkraftwagen einschließlich deren Be- und Entladung, -zur Abgabe von Auftragsbestätigungen und Stundenzetteln, Krankmeldungen und Urlaubsanträgen aufsucht. In diesen Fällen hätte der Arbeitgeber zwar eine Zuordnung vornehmen können. Hat er dies aber nicht getan, reichen die Hilfs- und Nebentätigkeiten für eine quantitative Zuordnung nicht aus.
Beispiel: Ein Kundendienstmonteur, der von seinem Arbeitgeber keiner betrieblichen Einrichtung dauerhaft zugeordnet ist, sucht den Betrieb seines Arbeitgebers regelmäßig auf, um den Firmenwagen samt Material zu übernehmen, die Auftragsbestätigungen in Empfang zu nehmen und die Stundenzettel vom Vortag abzugeben. Der Kundendienstmonteur hat keine erste Tätigkeitsstätte. Der Betrieb seines Arbeitgebers wird auch durch das regelmäßige Aufsuchen nicht zur ersten Tätigkeitsstätte, da er seine eigentliche berufliche Tätigkeit an diesem Ort nicht ausübt.
Tipp: Erfüllen mehrere Tätigkeitsstätten die quantitativen Voraussetzungen für eine erste Tätigkeitsstätte, kann der Arbeitgeber bestimmen, welche dieser Tätigkeitsstätten die erste Tätigkeitsstätte ist.
Stand: 14.02.2021